Vorsicht Berliner Testament

In der Welt des Erbrechts erfreuen sich gemeinschaftliche Testamente, insbesondere das Berliner Testament, großer Beliebtheit. Doch die Risiken und Fehlinterpretationen können schwerwiegende finanzielle Folgen haben. In unserem aktuellen Artikel beleuchten wir einen praxisnahen Fall, in dem ein Ehepaar ein Berliner Testament erstellt, nur um danach in eine vertrackte Erbsituation zu geraten, die sowohl rechtliche als auch steuerliche Nachteile mit sich bringt.

Wir zeigen auf, welche Kardinalfehler bei der Erstellung eines gemeinsamen Testaments gemacht werden können und wie diese vermieden werden. Vor allem die ungenauen Formulierungen und fehlenden Klauseln könnten weitreichende Konsequenzen für die Erben haben. Wir geben wertvolle Tipps, worauf Ehegatten bei der Testamentsgestaltung unbedingt achten sollten, um Streit und unliebsame Überraschungen zu vermeiden.

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Einleitung

Das gemeinschaftliche Testament erfreut sich in der Praxis unverändert großer Beliebtheit. Es ist vor allem schnell gemacht. So genügt es, wenn ein Ehegatte das Testament eigenhändig verfasst und beide Eheleute es unterzeichnen, § 2267 BGB. Zudem werden Kosten für den Notar gespart. Bei dem Klassiker gemeinschaftlicher Testamente – dem sog. Berliner Testament – soll der längerlebende Ehegatte oder Lebenspartner zunächst alles bekommen, versorgt sein und sich nicht in einer streitanfälligen Erbengemeinschaft mit den Kindern wiederfinden. Nach dem Tod beider Ehegatten sollen die Kinder das von den Eltern gemeinsam erarbeitete Vermögen erben. Was einfach klingt, misslingt regelmäßig. Ungenaue, unbedachte und ungeprüfte Testamente können fatale Folgen haben.

Der Praxisfall

M und F sind im gesetzlichen Güterstand miteinander verheiratet und haben zwei gemeinsame Kinder K1 und K2. Sie errichten ein gemeinschaftliches Testament, in dem sie sich zu Alleinerben einsetzen und ihre beiden Kinder zu gleichen Teilen zu ihren Schlusserben („Berliner Testament“). Eine typische Pflichtteilsstrafklausel soll die Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen der Kinder nach dem Tod des erstversterbenden Ehegatten verhindern.

M verstirbt im Alter von 55 Jahren. Sein Aktivnachlass beläuft sich auf 1 Mio. €. Seine Ehefrau verfügt über eigenes Vermögen in gleicher Höhe. K1 und K2 entwickeln sich unterschiedlich. F entschließt sich deshalb, neu zu testieren und setzt K2 zu ihrem Alleinerben ein. Zudem schenkt sie ihm insgesamt einen Betrag in Höhe von 300.000,00 €.

Die fatalen Folgen

Das Berliner Testament von M und F hat fatale Folgen:

a) Das neu errichtete Testament der F, wonach K2 Alleinerbe werden soll, ist unwirksam. Die Erbfolge nach M ist bereits durch das gemeinschaftliche Testament von M und F aufgrund der Wechselbezüglichkeit abschließend geregelt. An dieses Testament ist F gebunden. Es besteht keine Abänderungsmöglichkeit, weil eine Öffnungsklausel fehlt. Nur der geänderte Wille von F allein berechtigt sie nicht zu einem Widerruf, einem Rücktritt oder einer Anfechtung.

b) Die lebzeitige Schenkung der F an K2 ist zwar wirksam. Nach dem Tod von F kann K1 als Erbe zu 1/2 Anteil den anteiligen Betrag von 150.000,00 € von K2 grundsätzlich herausverlangen, § 2287 BGB.

c) K1 und K2 werden erst mit dem Tod der F Schlusserben der beiden Ehegatten. Auch erbschaftsteuerlich haben M und F damit keine gute Wahl getroffen:

  • Die Freibeträge der Kinder in Höhe von insgesamt 800.000,00 € für den ersten Erbfall – Tod des M – wurden verschenkt, weil nicht K1 und K2 Erben des M geworden sind, sondern F.
  • K1 und K2 werden davon abgehalten, ihren Pflichtteil nach M in Höhe von je 1/8 (= 125.000,00 €) geltend zu machen und auf diese Weise wenigstens einen Teil ihrer Freibeträge auszuschöpfen. Selbst wenn F und K1 mit der Geltendmachung des Pflichtteils durch K2 einverstanden sind, wird K2 nach dem Tod von F nach dem Inhalt der Pflichtteilsstrafklausel auf den Pflichtteil gesetzt. K1 würde Alleinerbe.
  • Auf das Vermögen des M wird – wirtschaftlich betrachtet – zweifach Erbschaftsteuer erhoben, zuerst infolge des Erwerbs durch F und sodann, nach deren Tod, infolge des Erwerbs durch ihre Kinder. Darüber hinaus fällt mit dem Tod der F Erbschaftsteuer hinsichtlich deren ursprünglichen Vermögens an, welches ebenfalls auf die Kinder übergeht.

Die Kardinalfehler – Worauf Ehegatten bei der Gestaltung achten sollten

Mit dem Tod eines der Ehegatten entsteht eine Zäsur. Der Längerlebende kann wechselseitige Verfügungen und damit auch die Einsetzung der gemeinsamen Kinder zu Schlusserben nicht mehr widerrufen, § 2271 Abs. 2 BGB. Sogar die Quote, wonach beide Kinder zu gleichen Teilen erben sollen, ist nicht mehr wirksam abänderbar. In der Regel wird versucht, das nicht gewollte Ergebnis, wonach beide Kinder nach dem Tode des Längerlebenden gleich bedacht werden, durch Schenkungen zu Lebzeiten zu korrigieren. Sicher vorprogrammiert ist damit Streit zwischen den Schlusserben nach dem Tod des längerlebenden Ehegatten, insbesondere durch die Geltendmachung von Herausgabeansprüchen nach §§ 2287, 2288 BGB.

Böse Überraschungen und Streit der Erben lassen sich vermeiden, wenn Folgendes bedacht wird:

a) Bei der Gestaltung des Testaments sollten die Ehegatten gut überlegen, welche Verfügungen wechselbezüglich sein sollen mit der Folge, dass nach dem Tod des Erstversterbenden von ihnen der längerlebende Ehegatte nicht mehr anders testieren kann. Durch die Bestimmung ihrer Verfügungen als wechselbezüglich oder durch die Verwendung von Öffnungsklauseln können die Ehegatten Folgendes bezwecken:

  • Die Ehegatten wollen sich für die Zeit nach dem Tod des Erstversterbenden freie Hand lassen.
  • Es soll nur eine Befugnis zur teilweisen Durchbrechung der Bindung festgelegt werden; Einschränkungen können quotenmäßig, gegenständlich bedingt oder unbedingt sein.
  • Der Überlebende soll nur zu Schenkungen berechtigt sein, während die erbrechtliche Bindung bleiben soll; die §§ 2287, 2288 BGB werden abbedungen.
  • Formulierungen, wonach der Überlebende berechtigt sein soll, seine Verfügungen auch nach dem Tod des Erstversterbenden jederzeit zu ändern und aufzuheben, sind dann sinnvoll, wenn die Ehegatten einen solchen Änderungsvorbehalt wollen.

b) Unüberlegte Pflichtteilsstrafklauseln sind gefährlich. Ihre Ausgestaltung erfolgt überwiegend so, dass die Abkömmlinge, die nach dem ersten Erbfall ihren Pflichtteil fordern, im Schlusserbfall von der Erbfolge ausgeschlossen sind. Macht also ein Abkömmling nach dem Tod des Erstversterbenden seine Pflichtteilsansprüche geltend, was durchaus sinnvoll sein kann, um Freibeträge bei der Erbschaftsteuer zu nutzen, ist er zwangsläufig auch nach dem Tod des längerlebenden Ehegatten auf den Pflichtteil gesetzt. Hieran ist nach dem ersten Erbfall – wenn das gemeinschaftliche Testament keine Öffnungsklausel enthält – nichts mehr zu ändern, selbst wenn alle Beteiligten dies so wollen (vgl. Praxisfall oben). Jede Pflichtteilsklausel sollte deshalb so formuliert sein, dass die Sanktion der Enterbung nur eintritt, wenn die Geltendmachung des Pflichtteils „gegen den Willen des überlebenden Ehegatten“ erfolgt.

c) Soll das gemeinschaftliche Testament keinen Änderungsvorbehalt enthalten, muss überlegt werden, ob eine Befreiung vom Schenkungsverbot des § 2287 BGB in das Testament aufgenommen werden soll. Zwar hat die Bindung des überlebenden Ehegatten bei Verfügungen unter Lebenden Grenzen. Der Schlusserbe ist nicht davor geschützt, dass der überlebende Ehegatte Nachlassgegenstände gegen Entgelt veräußert. Gemäß § 2286 BGB ist der Überlebende nämlich nicht gehindert, über sein Vermögen unter Lebenden frei zu verfügen. Nicht verboten sind auch Verträge zugunsten Dritter auf den Todesfall, denn es handelt sich auch hier um Verträge unter Lebenden.

Davor, dass der überlebende Ehegatte den späteren Nachlass zu Lebzeiten durch Schenkungen zum Nachteil des Schlusserben aushöhlt, wird der Schlusserbe durch § 2287 BGB bewahrt. Danach hat der Schlusserbe gegen den Beschenkten innerhalb von drei Jahren nach Anfall der Erbschaft einen Bereicherungsanspruch auf Herausgabe des Geschenks, wenn der Erblasser in der Absicht gehandelt hat, den Bedachten zu beeinträchtigen (§§ 2287, 2288 BGB analog). Dabei werden an den Nachweis der Beeinträchtigungsabsicht keine hohen Anforderungen gestellt. Die Herausgabepflicht des Beschenkten ist allerdings nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift beschränkt auf die Fälle, in denen der Erblasser das ihm verbliebene Recht zu lebzeitigen Verfügungen missbraucht hat. Ein Missbrauch ist zu verneinen, wenn der Erblasser ein sog. lebzeitiges Eigeninteresse an der Schenkung hatte.

Lösungen zu Lebzeiten der Ehegatten

Ein einmal errichtetes gemeinschaftliches Testament kann zu Lebzeiten der Ehegatten grundsätzlich einvernehmlich aufgehoben werden. Durch eine neue Verfügung von Todes wegen kann ein Ehegatte zu Lebzeiten des anderen seine Verfügung nicht einseitig aufheben, § 2271 Abs. 1 Satz 2 BGB. Der Ehegatte, der sich von dem gemeinschaftlichen Testament lösen will, hat einen formwirksamen Widerruf zu erklären. Der Widerruf bedarf der notariellen Form, § 2271 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 2296 Abs. 2 Satz 2 BGB. Wichtig ist, dass die Ausfertigung des Widerrufs – nicht nur eine beglaubigte Abschrift – dem Ehegatten zu Lebzeiten zugestellt wird, damit dieser seinerseits die Möglichkeit hat, ein neues Testament zu errichten.

Auch mit der Auflösung der Ehe wird das gemeinschaftliche Testament grundsätzlich unwirksam, § 2268 BGB.

Fazit

Das sog. Berliner Testament ist nur in seltenen Fällen die richtige Wahl. Grundvoraussetzung ist ein überschaubarer Nachlass innerhalb der steuerlichen Freibeträge, die heute bei explodierenden Immobilienpreisen schnell ausgeschöpft sind. In der Regel wollen die Ehegatten einen Änderungsvorbehalt, der in das gemeinschaftliche Testament aufgenommen werden muss. Sonst tritt nach dem ersten Erbfall die Bindungswirkung ein. Soll ein Änderungsvorbehalt hinsichtlich der Erbquote nicht aufgenommen werden, muss überlegt werden, ob die Befreiung vom Schenkungsverbot des § 2287 BGB in das Testament aufgenommen werden soll.

Autoren

Dr. Thomas Leuer und Dr. W.-P. Haarmann sind Fachanwälte für Erbrecht. Sie sind auf das streitige Erbrecht spezialisiert.

Dr. Peus · Dr. Leuer · Dr. Haarmann
Partnerschaft von Rechtsanwälten mbB · Notar